Interview mit Anne Freytag

©Michael Tasca
Ich bin unglaublich froh, dass das Interview mit Anne Freytag nun steht und ich es mit euch teilen darf. Ich habe schon seit Monaten darauf hingefiebert und habe als ich selber zum ersten Mal die Antworten gelesen habe oft geschmunzelt. Anne Freytag hat mich mit diesem Interview ein weiteres großes Stückchen mehr zu sich und ihren Büchern hingezogen und ich freue mich auf alles was noch so von ihr erscheint. 
Außerdem möchte ich mich ein weiteres mal dafür bedanken, dass Sie, liebe Anne Freytag, sich die Mühe gemacht haben und meine Fragen so ausführlich beantwortet haben. Das macht leider nicht jeder Autor wenn er ein Interview bestätigt. Danke sehr!

Etwas traurig bin ich, dass ich Anne Freytag nicht auf der Buchmesse treffen konnte, aber was noch nicht ist, kann ja noch werden. 





Ich - Erzählen Sie kurz etwas über sich.

Anne Freytag - Ich bin Anne Freytag, schreibe All-Age- und Erwachsenen-Romane (und zwar am liebsten genresprengend), habe letzten Monat geheiratet, bin das Sandwich-Kind (ältere Schwester, jüngerer Bruder), hänge sehr an meiner Familie und meinen Freunden, liebe Reisen, Hörbücher und Serien/Filme. Und ich liebe schlafen. Und Dinge zu entdecken. Ich schätze gutes Essen, Genuss per se, Musik und Geschichten, das Neue, das Alte.

Ich - Lesen Sie selbst gerne? Wenn ja was ist Ihr Lieblingsbuch? Was hat Ihr Leben verändert?

Anne Freytag - Ich habe weder nur ein Lieblingsbuch, noch nur einen Lieblingsautor, aber es gibt durchaus einige Schriftsteller, die ich bewundere und deren Werke ich herausragend finde. Dazu gehören Patrick Süskind mit „Das Parfum“, J.K. Rowling mit „Harry Potter“ (der 6. Band ist mein Favorit), J.D. Salinger mit „The Catcher in the Rye“, Meg Wolitzer mit „Die Ehefrau“, Delphine de Vigan mit „Nach einer wahren Geschichte“, Melanie Raabe mit „Die Wahrheit“ ... Das ist nur ein Querschnitt und bestimmt habe ich etwas vergessen. 
Jedes einzelne dieser Bücher hat etwas in mir verändert und mich sehr bewegt.

©Anne Freytag
Ich - Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?

Anne Freytag - Ich gehöre nicht zu denen, die schon immer gewusst haben, was sie mal machen wollen. Ich hatte keinen Traumberuf und kein Ziel. Wenn man es genau nimmt, ist das Schreiben zu mir gekommen. Es ist, als hätten wir einander immer vermisst und uns dann endlich gefunden. 
Mein erster Roman entstand neben dem Studium. Als Ausgleich zu dem (nicht selten ziemlich) trockenen Unterrichtsstoff. Ich habe eines Tages ohne erkennbaren Grund mit dem Schreiben angefangen – und seitdem nie wieder damit aufgehört.

Ich - Wenn Sie keine Autorin wären, was für ein Beruf hätte Sie sonst noch interessiert?

Anne Freytag - Ich habe ein Faible für (gute) Werbung und Grafik Design. Beides habe ich eine Weile gemacht – bin aber nicht wirklich traurig, dass das vorbei ist. Ich könnte mir vorstellen, eines Tages Literaturagentin zu sein. Ich glaube, das würde mir liegen.

Ich - Sind Sie Perfektionistin? Schreiben Sie solange an dem Buch bis es perfekt ist und könnten Sie unendlich so weiter machen?

Anne Freytag - Ja und nein. Ich überarbeite wirklich viel und streiche alles, was es in meinen Augen nicht braucht. Aber die Wahrheit ist, kein Buch ist jemals perfekt. Es ist vielleicht perfekt für den Moment, aber einen Tag später würde man vielleicht doch wieder etwas anders ausdrücken, hier ein Wort streichen, da eins hinzufügen. Ich glaube, man könnte ein Buch für immer überarbeiten.

Ich - Wie lange brauchen Sie für ein Buch, bis es fertig ist?

Anne Freytag - Das kann ich so pauschal nicht sagen. Ich habe schon Romane in ein paar Wochen geschrieben („Make it Count – Gefühlsgewitter“), ich habe aber auch schon sechs Monate an einem Roman geschrieben – der All-Age-Roman, der im März 2018 bei Heyne fliegt erscheint, ist so einer. Außerdem kommt es darauf an, ob man die Überarbeitung und das Lektorat zu dem Prozess dazu zählt oder nicht. Alles in allem brauche ich im Schnitt zwischen drei und sechs Monate für einen Roman. Aber wie gesagt, das klappt nicht immer.

Ich - Wie war/ist es für Sie ein Buch zu veröffentlichen? Gefreut haben Sie sich sicherlich, aber hatten Sie auch Angst und waren Sie nervös, was die Leute wohl sagen werden?

Anne Freytag - Selbstverständlich, war ich das. Das bin ich immer. Es ist jedes Mal ein Wechselbad der Gefühle: Vorfreude, Spannung, Anspannung, Angst, Euphorie ... 
Ich glaube, da muss man durch. Es ist ein Teil des Prozesses. Man gibt der Öffentlichkeit ein Stück von sich selbst und weiß, dass nicht alle es mögen werden. Aber sehr viele tun es. Und da bin ich wirklich dankbar.

Ich - Welches Ihrer Bücher liegt Ihnen besonders am Herzen?

©Tasca + Tasca, www.tasca-tasca.de
Anne Freytag - Jeder Roman war ein wichtiger Schritt auf meinem Weg. 
„Irgendwo dazwischen“ war mein erstes Buch – es wird also immer bedeutend sein, weil es das erste war. 
„Renate Hoffmann“ war ein Schritt in eine ganz andere Richtung und ich liebe sie und ihre Geschichte wirklich sehr. 
Bei „434 Tage“ habe ich zwei Dinge gelernt. Zum einen: „Streiche jeden Satz, den es nicht braucht“ und zum zweiten: „Tu das, wovor du dich fürchtest“. Ich hätte das „sichere“ Ende wählen können, doch das habe ich nicht getan. Nicht jeder mag diesen Schluss, aber für mich war es letztlich das einzig mögliche Ende. 
„Mein bester letzter Sommer“ war eine von den Geschichten, die ich mehrere Jahre mit mir herumgetragen habe, sie wurde zu einem Freund und hat mir neue Türen geöffnet – die zum Verlag, in den Buchhandel und in viele Leserherzen. 
Es war mir wichtig, dass der Nachfolgeroman vollkommen anders ist, ein Roman mit einer Botschaft und einer anderen Thematik. „Den Mund voll ungesagter Dinge“ beschäftigt sich damit, dass es nicht nur okay, sondern unglaublich wichtig ist, man selbst zu sein – wer auch immer das sein mag. 
Ich liebe alle meine Romane, ich hoffe, das merkt man beim Lesen.

Ich - Welcher Charakter aus Ihren Büchern ist Ihnen am meisten ans Herz gewachsen?

Anne Freytag - Auch das kann ich unmöglich sagen ... Wobei mir aufgefallen ist, dass ich immer die Figuren am liebsten mag, mit denen ich gerade zu tun habe. Das gilt übrigens auch für meine Bücher – ich finde meistens das am besten, das ich gerade geschrieben habe ... Bis dann das nächste kommt.

Ich - Bei "Den Mund voll ungesagter Dinge" geht es ja um eine gleichgeschlechtliche Liebe, war es Ihnen wichtig mal über ein solches Thema zu schreiben? Ich persönlich finde das Buch unglaublich, da es die Gefühle der Protagonistinnen unglaublich gut wieder gibt. 

©Adriana Popescu, bei einer Lesung im Thalia
Anne Freytag - Mir war und ist es wichtig, dass es nicht um „normal“ oder „nicht normal“ geht, sondern um Liebe und die kennt kein Geschlecht. Deswegen finde ich persönlich auch nicht, dass irgendjemand sich „outen“ muss. Weil niemand einem anderen Rechenschaft schuldig ist. Das muss jeder für sich wissen. Für die einen ist es wichtig, für die anderen nicht. Ich denke, dass es wichtig ist, mit sich selbst im Reinen zu sein – was manchmal wahnsinnig schwer ist, egal in welchem Alter. 
In „Den Mund voll ungesagter Dinge“ geht es darum herauszufinden, wer man ist, was man fühlt und wer man sein will. Es geht nicht „nur“ um die Liebesgeschichte zwischen Sophie und Alex, sondern auch um Familie, den Wunsch dazuzugehören, Freundschaft und die Frage nach dem: „Wer bin ich?“. All diese Themen sind in meinen Augen wichtig – insbesondere im Bereich Jugendbuch. Wobei ich sagen muss, dass man für diese Kernfragen des Lebens nie zu alt wird. Es gibt genug Menschen, die vom Alter her erwachsen sind und trotzdem keine Ahnung haben, wer sie sind oder was sie mit ihrem Leben anstellen sollen. 
Ich schreibe Bücher über Dinge, die mich beschäftigen, über das Leben und das, was Menschen bewegt. Es ist schön, wenn ich jemanden damit erreichen kann.

Ich - Ist ein weiteres Buch von Ihnen in Planung? Wenn ja wie weit sind Sie, und dürfen Sie verraten in welche Richtung es geht?

Anne Freytag - Ich habe meinen neuen All-Age-Roman im Juli beendet, das Cover steht und die Vorschau kommt Anfang November. Erscheinen wird das Buch im April 2018.
Ich darf noch nichts Konkretes verraten, aber ich kann sagen, dass mich noch nie ein Roman so mitgenommen hat. Diese Geschichte hat mich verdaut. Und am Ende war ich völlig am Ende. Aber ich liebe diesen Roman. 

Ich - Wieso das Pseudonym Ally Taylor? Warum überhaupt ein Pseudonym?

Anne Freytag - Weil Ally und ich uns inhaltlich sehr unterscheiden. Ally schreibt romantische Komödien, Geschichten, die man mit einer großen Tüte Popcorn genießen kann – süß und klebrig und einfach schön – Popcornkinoliteratur, Liebesgeschichten mit Happy End. Ich tue das nicht. Freytag-Geschichten spielen in Deutschland und man weiß nie so genau, wie sie enden. 
Manche Leser lieben beide Richtungen, andere nur die eine oder die andere. Ich denke, es ist schön, wenn man sich vorstellen kann, worauf man sich einlässt. Deswegen die Unterscheidung.

Ich - Das peinlichste, was Ihnen je passiert ist!

Anne Freytag - Das behalte ich schön für mich. ;-)

Ich - Das schönste, was Ihnen je passiert ist!

Anne Freytag - Ich habe das Glück, dass mir schon unendlich viele wundervolle Dinge widerfahren sind. Manche sehr klein, andere sehr groß. 
Ich glaube, mein Leben als Ganzes ist das schönste, was mir je passiert ist. 
Und dafür bin ich sehr dankbar.

2 Comments

  1. Die Rragen sind sehr interessant und gut gewählt. :) Vielleicht kannst du beim nächsten mal noch eine kleine Antwort zu dem was die Autorin gesagt hat schreiben? Das würde sich meiner meinung nach beim lesen persönlicher und besser anfühlen.

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    1. Danke für die Konstruktive Kritik, ich werde bei meinem nächsten Interview darüber nachdenken. Allerdings ist diese Art, wie du es schreibst, schwierig wenn man das Interview nicht Face to Face führt sondern über eMails die Antowrten zu den Fragen bekommt.

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